Interview mit Felix Paul, Beauftragter für Friedensarbeit im Haus kirchlicher Dienste
Herr Paul, in der Ukraine spitzt sich der Konflikt mit Russland zu, muslimische Gräber in Iserlohn wurden geschändet, es gibt Corona-Demos in vielen Städten und Morddrohungen gegen Menschen in Politik, Medizin und Wissenschaft, weiterhin ertrinken Flüchtende im Mittelmeer oder sterben an der belarussisch-polnischen Grenze - so viele schlechte Nachrichten. Wie beginnen Sie unter Eindruck dieser Ereignisse als neuer Friedensbeauftragter der Landeskirche Ihre Arbeit?
Paul: „Die Ereignisse der letzten Zeit zeigen uns wie elementar es ist, sich mit unserem Verständnis von Frieden auseinanderzusetzen und welche Bedeutung er für uns als Gesellschaft hat. Einerseits gilt es, den Frieden in Europa zu wahren bzw. wiederherzustellen. Andererseits geht es um gesellschaftlichen Frieden, der aus dem Inneren heraus gestaltet werden muss. Dazu gehört eine beständige Betonung von Werten wie Solidarität, Offenheit und Nächstenliebe. Nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch europaweit muss die Mehrheit klar für diese Werte einstehen, sie fördern und darüber diskutieren, wie wir friedlicher miteinander leben können.“
Wo wollen Sie sich dabei einbringen?
Paul: „Es ist mir wichtig, dass Frieden als Konzept und Begriff wieder im Zentrum unserer gesellschaftlichen Debatte steht, dass er nicht selbstverständlich ist. Es geht um das Bewusstsein, dass wir in einer friedlichen Gesellschaft so viel Gutes erfahren können. Darüber hinaus gilt es, Stellung zu beziehen und Prozesse zu begleiten. Notfalls muss man unangenehme Themen auf die Tagesordnung setzen, damit eine Veränderung angestoßen wird. Ich möchte als Vermittler und Ansprechpartner gesehen werden, der Menschen in ihren unterschiedlichen Engagements für den Frieden unterstützt und begleitet. Informieren, bestärken, fördern lautet die Devise.“
Sie haben Politik studiert, warum haben Sie sich für eine Tätigkeit bei der Kirche entschieden?
Paul: „Wenn man sich lange genug mit Politik beschäftigt, gerade internationaler, gibt es zwei Wege: Entweder man resigniert oder man entwickelt einen gewissen Tatendrang. Bei mir ist Letzteres der Fall. Unsere Kirche bietet dafür einen großen Raum und zahlreiche Anknüpfungspunkte. Kirche lebt vom Engagement der Menschen und der Gemeinschaft. Meine Leidenschaft für die Friedensarbeit und die Möglichkeiten, die sich in unserer Kirche durch ihre vielfältige Gestalt bieten, lassen sich wunderbar verbinden. Ich verstehe Kirche als Raum für Wort UND Tat. Gerade im Bereich der Friedensarbeit können wir - in Gemeinschaft mit anderen gesellschaftlichen Akteuren - viel bewirken.
Wie Sie schon sagten, es gibt viele schlechte Nachrichten. Doch es gibt auch viel Positives. Die Menschen, die einen unschätzbaren Beitrag dazu leisten, dass unsere Gesellschaft eine Zukunft hat. Die sich einsetzen, sich solidarisch zeigen, helfen und einfach füreinander da sind. Das Miteinander trotz Abstand. Das macht mir Mut.“
Themenraum/Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers