Positionen aus der Bischofskanzlei
Antisemitismus ist immer noch Bestandteil unserer Gesellschaft. Ihn zu bekämpfen eine alltägliche gemeinsame Aufgabe. Wir müssen Prägungen und Vorurteile aufdecken, die ihn ermöglichen. Wir müssen das Bewusstsein für die tiefe Verwurzelung des Judentums in der europäischen Kultur stärken, Menschen jüdischen Glaubens schützen und die Aufmerksamkeit für ihre religiöse Identität schärfen.
Als Christinnen und Christen sind wir dabei in besonderer Weise in der Pflicht. Die Mehrheit der Mitgliedskirchen in der EKD hat den Bezug auf das Judentum in ihre Verfassung eingefügt. „Zeugnis, Mission und Dienst erfolgen in Gemeinschaft mit anderen christlichen Kirchen und im Bekennen der Treue Gottes zum jüdischen Volk“, steht auch in der Verfassung der hannoverschen Landeskirche. „Angesichts der schuldhaften Verfehlungen der Kirche gegenüber Juden und dem Judentum sucht die Landeskirche nach Versöhnung“, heißt es weiter im 2013 geänderten Verfassungstext.
Das ist nicht allein eine historische Aufgabe, sondern tagesaktuell. Unter Kirchenmitgliedern ist Antisemitismus nicht weniger verbreitet als in der Gesellschaft insgesamt. Es muss selbstverständlich werden, dass antisemitische Haltungen keinen Grund und Nährboden in der Kirche finden und wir uns solidarisch an die Seite von Jüdinnen und Juden stellen, wo immer sie verleumdet oder bedroht werden.
Ralf Meister, Landesbischof in Hannover
Landesbischof Meister entsetzt über Judenhass bei Demonstrationen
Hannover/Göttingen (epd). Der evangelische Landesbischof Ralf Meister hat sich entsetzt über antisemitischen Parolen und Aufrufe zur Gewalt gegen Juden bei den jüngsten deutschen Demonstrationen gegen den Nahostkrieg geäußert. "Unter einer Kritik an der konkreten Politik des Staates Israel offenbart sich eine diffuse und gefährliche Mischung des Hasses auf jüdische Menschen", sagte er am Dienstag in Hannover. Meister forderte konkrete Schritte gegen Judenhass: "Wir müssen entschieden mit allen rechtlichen Möglichkeiten gegen solche Hassparolen und Hetze vorgehen."
Es sei unerträglich, dass sich Menschen jüdischen Glaubens in Berlin nicht mehr auf die Straße trauten oder Versammlungen jüdischer Gruppen mieden, sagte der Bischof weiter. "Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, das aber nicht durch Formen der Verhetzung missbraucht werden darf." Meister ist auch Ratsvorsitzender der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen.
Am Wochenende hatten bundesweit mehrere tausend Menschen gegen die militärische Auseinandersetzung zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen protestiert, unter anderem in Göttingen in Hannover. Dabei wurden im Blick auf Israel auch Parolen wie "Stopp dem Völkermord" gerufen und die israelischen Truppen mit Kindermördern verglichen.
In Göttingen griffen Demonstranten die Teilnehmer einer pro-israelischen Gegenkundgebung an und verletzten den Angaben zufolge mehrere Menschen. In Hannover hat es nach Angaben des Grünen-Bundestagsabgeordneten Sven-Christian Kindler am Rande einer Kundgebung mit dem Titel "Free Palestine" ebenfalls einen Angriff auf Gegendemonstranten gegeben, die eine Israel-Fahnen hoch hielten. In Essen ermittelt die Polizei wegen eines geplanten Angriffs auf die örtliche Alte Synagoge.
Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte gegen eine "Explosion an bösem und gewaltbereitem Judenhass" protestiert. Sein Präsident Dieter Graumann sagte am Montag in Berlin, dass auf deutschen Straßen antisemitische Aufrufe der übelsten und primitivsten Art skandiert werden könnten, "hätten wir niemals im Leben mehr für möglich gehalten". Am Mittwoch will sich auch der niedersächsische Landtag in einer Aktuellen Stunde mit dem Thema befassen.