Die Auferstehung Jesu feiern Christen an Ostern in den Kirchen. Doch dem Geheimnis des wiederkehrenden Lebens kann man sich auch anders nähern: mit einem Spaziergang in der österlichen Natur.
Die Tage sind wieder länger, Vögel zwitschern, Narzissen blühen - das Leben kehrt zurück. Für viele gehört ein ausgedehnter Spaziergang in der Natur zum Osterfest dazu. Schon vor rund 200 Jahren beschrieb Goethe im „Faust“, wie ein solcher Spaziergang die Menschen aus der Enge hinausführt und nach verzweifelter Nacht wieder Hoffnung schöpfen lässt. „Vom Eise befreit sind Strom und Bäche“, beginnt Faust sein Loblied auf den Osterspaziergang.
Dass Osterlebnisse nicht nur in der Kirchenbank möglich sind, davon ist auch der Göttinger Theologieprofessor Martin Laube überzeugt. Das gelte heute wie zu Goethes Zeiten: „Die klassische Osterbotschaft von der leiblichen Auferstehung Jesu kann Faust so nicht mehr übernehmen. Und doch ist er von dieser Geschichte fasziniert. Ich glaube, dass es heute vielen Menschen so geht.“
Spaziergangswissenschaftler Martin Schmitz von der Kunsthochschule Kassel empfiehlt, das Smartphone beim Osterspaziergang zu Hause zu lassen, um beim mußevollen Flanieren nicht gestört zu werden. „Das absichtslose Umherstreifen in der unmittelbaren Umgebung eröffnet ganz neue Perspektiven.“ Denn Digitalisierung, Mobilität und die Beschleunigung des Lebens führten dazu, dass viele Menschen nirgendwo recht verortet seien und nicht einmal mehr ihren Wohnort richtig kennen. Doch ein steigendes Interesse an der analogen Welt formiere sich bereits zur Gegenbewegung, glaubt er: „Spazierengehen ist total in.“
Unberührte Natur gebe es hierzulande jedoch kaum noch, gibt Schmitz zu bedenken. Auch jenseits bebauter Flächen habe es der Spaziergänger meist mit den Resultaten menschlicher Landschaftsgestaltung zu tun, am Baggersee, auf dem Feldweg, im aufgeforsteten Wald oder im Stadtpark. „Die Natur, das wahrhaft Lebendige und Ursprüngliche, ist unsichtbar.“ Ein Spaziergang an den Ostertagen könne Anlass sein, genauer hinzusehen, das Neue im Werden und Vergehen der Umwelt zu entdecken.