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„Kein Torf auf kirchliche Friedhöfe und Grundstücke!“

Nachricht 11. April 2023

Langsam beginnt die Pflanzsaison für Garten und Balkon. Die ersten Beete, Kübel und Töpfe brauchen neue Blumenerde. Was viele vielleicht nicht wissen: Die meisten Blumenerden bestehen zum größten Teil aus Torf – „dem Stoff, aus dem die Moore sind“. Reinhard Benhöfer, Umweltreferent im Haus kirchlicher Dienste der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers erklärt, warum das ein Problem ist und wie man auch ohne Torf gärtnert.

Herr Benhöfer, „Kein Torf auf kirchliche Friedhöfe und Grundstücke!“, so heißt ein Tagesseminar, dass Sie am 6. Mai für Interessenten anbieten. Was steckt dahinter?

RB: Wenn wir als Kirche die Verantwortung für die zukünftigen Generationen übernehmen, reicht es nicht aus, „nur“ Klimaschutz zu betreiben, wir müssen uns um die bedrohte Biodiversität kümmern. Beim Thema Torf kommt beides zusammen. Zum einen der Klimaschutz in den Mooren in Niedersachsen, dem Bundesland mit den meisten Mooren überhaupt. Die Moore sind für den Klimaschutz besonders wichtig, weil sie sehr viel CO2 speichern. Werden sie trockengelegt, emittieren viele Treibhausgase und beeinflussen dadurch unser Klima. In Niedersachsen sind die Emissionen aus den trockengelegten Mooren und der Torfnutzung vergleichbar mit der aus dem gesamten Straßenverkehr, also aus der Mobilität, aber man redet kaum darüber. Wenn wir das Klima schützen wollen, müssen wir alles tun, um Moore zu stabilisieren, wieder zu vernässen und keinen Torf abzubauen.

Zum anderen sind Moore besondere Habitate, sowohl für Pflanzen als auch für Tiere, die nur dort überleben können. Allein aus diesem Grund müssen alle Moore ganz besonders geschützt werden: Es dürfte überhaupt kein Torf mehr abgebaut werden, keine Moore trockengelegt sein, sondern – im Gegenteil – Moore, die jetzt schon trocken sind, müssen zwingend wieder vernässt werden.

Der Torf ist ein Thema für Landbesitzer*innen, bei welchen Themen sollten Gemeinden noch überlegen, wie sie ökologischer werden können? Welches sind weitere Felder, die man im Blick haben muss?

RB: Auch wenn eine Kirchengemeinde nicht über eigenes Moorland verfügt – das werden relativ wenige sein – sollte man nicht meinen, man hätte mit diesem Thema nichts zu tun. Wann immer man Blumen im Topf kauft, hat man meistens schon Torf dabei, ohne es zu wissen. Durch den Einkauf von Blumen in Containern ruiniert man nebenbei die Moore, in dem man Torf nutzt, und zwar in erheblichen Mengen, die wir uns gar nicht vorstellen können. Jeder Kauf von „Wechselbepflanzungen“, von „Wegwerf-Blumen“ schädigt immer und automatisch die Moore.

Darüber hinaus ist Klimaschutz in einer Kirchengemeinde im Wesentlichen eine Frage des Energieverbrauchs. Wie viel Energie verbrauchen wir? Was sind die Energieträger? Sind das erneuerbare oder sind das fossile? Und zum Thema Biodiversität kann man viel mehr machen als nur auf Torf verzichten. Man kann insbesondere die eigenen Grundstücke biodiversitätsfreundlich bewirtschaften. Das heißt, möglichst heimische Pflanzen, Stauden und Gehölze pflanzen, möglichst wenig in die Naturräume eingreifen – möglichst wenig Rasen, möglichst viel Wiese. Immer dann, wenn etwas „wild“ zu sein scheint, ist es gut für die Umwelt.

Wenn die Gemeinden, etwa aufgrund der urbanen Lage, wenige Möglichkeiten haben, können sie versuchen, kleine „künstliche“ Habitate zu schaffen. Zum Beispiel Vogelkästen aufzuhängen oder Einflugmöglichkeit im Kirchenturm zu schaffen oder für Kleinsäuger Habitate herzustellen.

Eine Kirchengemeinde, die weder im Klimaschutz, noch für Biodiversität etwas leisten kann, gibt es nicht. Es gibt ganz viele Möglichkeiten und das Schöne daran – es kostet fast nichts! Manchmal spart man sogar noch Geld dabei.

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Die torffreien Erden funktionieren hervorragend und sind inzwischen fast überall zu kaufen. Foto: Dr. Mona Gharib/HkD

Kann eine Kirchengemeinde vollständig auf Torf verzichten? Welche Erfahrungen gibt es schon, was ist nachahmenswert?

RB: Im Arbeitsfeld Umwelt- und Klimaschutz im Haus kirchlicher Dienste haben wir seit etwa sechs Jahren Projekte, in denen wir zeigen, mit welchen Maßnahmen man die Artenvielfalt auf Friedhöfen und auf kirchlichen Grundstücken fördern kann. Bei all diesen Maßnahmen verzichten wir komplett auf Torf und zeigen, dass torffreie Pflanzerden hervorragend funktionieren und keine größeren Mühen verlangen. Die torffreien Erden sind inzwischen fast überall zu kaufen.

Torf hat natürlich hervorragende Eigenschaften als Pflanzsubstrat. Das wollen wir nicht leugnen. Aber man kann darauf verzichten! Es gibt Ersatzstoffe, die gut funktionieren. Es gibt einfach keinen Grund zu sagen: „Ohne Torf können wir nicht wirtschaften.“

Auf kirchlichen Friedhöfen beweisen wir seit Jahren das genaue Gegenteil. Das funktioniert. Niemand zwingt irgendjemanden, auf seinem Grab oder in seinem Vorgarten oder auf dem kirchlichen Grundstück zwei Mal im Jahr Containerpflanzen auszuwechseln und abgeblühte Pflanzen wegzuwerfen. Das ist einfach ein Frevel, das sollte man auf keinen Fall machen! Stattdessen ist es viel wichtiger, dass wir möglichst geschlossene Stoffkreisläufe haben und nicht etwas wegwerfen, abbauen oder ruinieren. Das heißt, dass wir Pflanzenreste kompostieren, diesen Kompost wiederverwenden und damit einen schon sehr guten Ersatzstoff für Torf haben. Genau darüber wollen wir mit allen Interessenten am 6. Mai bei einem Seminar mit Exkursion ins Moor und zum Torfabbau beim Steinhuder Meer ins Gespräch kommen!

Veranstaltungshinweis

„Moore – Klimaschutz: Kein Torf auf kirchliche Friedhöfe und Grundstücke!“

Torffreies Gärtnern als Bedingung für Treibhausgasneutralität

Samstag, 6. Mai von 10 – 16.15 Uhr
Treffpunkt: Parkplatz 11, Alte Moorhütte 1, 31535 Neustadt am Rübenberge
Ort ab mittags: Gemeindehaus der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Mardorf-Schneeren, Mardorfer Str. 12a, 31535 Neustadt am Rübenberge OT Mardorf

Anmeldung bitte bis zum 25. April 2023.
 

Zur Anmeldung

Ansprechpartner

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Reinhard Benhöfer
Archivstr. 3
30161 Hannover

Referent für Umwelt- und Klimaschutz