Generationenkonflikte, Gewalt in der Familie, Erschöpfung – Landwirte und Landwirtinnen treiben viele Sorgen um. Hilfe bietet die anonyme Beratung des Landwirtschaftlichen Sorgentelefons.
Die Beratenden des Landwirtschaftlichen Sorgentelefons arbeiten ehrenamtlich. Sie haben eine zweijährige Ausbildung absolviert und verfügen über landwirtschaftliche Kenntnisse. Carolin George hat mit einem Beratenden gesprochen. Da das Landwirtschaftliche Sorgentelefon anonym arbeitet, bleibt auch unser Gesprächspartner anonym. Er ist 67 Jahre alt, hat den Beruf des Landwirts gelernt und später viele Jahre beim Maschinenring gearbeitet. Er lebt im Norden Niedersachsens.
Sie arbeiten seit zehn Jahren für das Landwirtschaftliche Sorgentelefon. Gibt es ein Thema, das sich in jüngster Vergangenheit verstärkt hat?
Auf jeden Fall sind das Depressionen und Erschöpfung. Die Betriebe werden immer größer und damit auch die Verantwortung. Das ist nicht jedermanns Sache. Jüngere kommen aus Unerfahrenheit an ihre Grenzen, und Ältere merken, dass ihr Bild von Erfolg sich verliert. Manche Männer werden immer schweigsamer, andere bleiben einfach den ganzen Tag im Bett. Noch gibt es keine Zahlen dazu, aber alle überregionalen Fachzeitschriften haben dies mittlerweile thematisiert. Leider spricht kaum ein Betroffener öffentlich darüber.
Wer erzählt Ihnen davon, die Männer selbst oder die Frauen?
Früher waren es in der Regel die Frauen. Heute rufen vermehrt Männer bei uns an. Sie haben Schwierigkeiten mit den Rollenbrüchen: Aus Bauern wurden Unternehmer. Erfolg entstand früher aus Fleiß, heute entsteht Erfolg aus Managen. Nicht alle sind dem gewachsen. Gleichzeitig sind die Männer immer noch der Meinung, sich ihre Erschöpfung und ihre Verstimmung nicht anmerken lassen zu dürfen. Viele haben auch das Gefühl, die ganze Welt sei gegen sie. Dass sie alles falsch machen. Da herrscht viel Einsamkeit.
Dies war auch während der Bauernproteste Anfang des Jahres zu spüren. Was hörten Sie dazu?
Zum einen das gute Gefühl, endlich einmal etwas für die gemeinsame Sache zusammen gemacht zu haben und wahrgenommen zu werden. Das ist ein Gefühl, das lange zu kurz kam. Auch wenn es verrückt klingt: Viele freuten sich, dass endlich mal ein Trecker im Fernsehen zu sehen war. Aktionen wie etwa Blockaden mit Mist auf der Autobahn oder dergleichen wurden von der Mehrheit abgelehnt. Den meisten ist klar, dass dies nicht akzeptabel war.
Wenn Sie Ihre zehn Jahre am Sorgentelefon Revue passieren lassen: Welche Themen sind die brennendsten?
In den allermeisten Fällen geht es um familiäre Probleme, vor allem Hofübergaben und Konflikte zwischen den Generationen. Bei den Hofübergaben klaffen die Unterschiede mittlerweile sehr weit auseinander: Die einen fahren zum Wander-Coaching nach Österreich und bereiten die Übergabe zwei Jahre lang vor, die anderen wollen innerhalb weniger Wochen einen Vertrag machen und denken, damit sei alles geregelt. Das ist es aber nicht. Es müssen auch die Aufgaben und Rollen zwingend geregelt und eingeübt werden – zum Beispiel, wer zu welchen betrieblichen Entscheidungen noch etwas zu sagen hat oder eben nicht.