Besuch bei Milva Iderhoff
Als ich ankomme, steht Milva Iderhoff auf der Drillmaschine und füllt Saatgut ein. Mit Wasser und aufgeschnittenem Käse von „Antjes Käsehuus“, den Frau Iderhoff in ihrer Regio-Box mit weiteren eigenen und regionalen Produkten verkauft, setzen wir uns auf eine Bank vor dem Gulfhof von 1829 und die Landwirtin beginnt sofort zu erzählen.
„Die letzten Tage waren sehr schwierig“, und ich spüre ihre Verzweiflung. „Die Politik hat uns Landwirte mit ihren Auflagen und Verordnungen nun endgültig in die Enge getrieben, niemand weiß mehr, wie dies in der Praxis umgesetzt werden soll. Gestern hatten wir Kreisversammlung. Die Berater der Landwirtschaftskammer und der Beratungsringe standen alle achselzuckend vor uns: Keiner kann sagen, was bald noch erlaubt sein wird und was nicht.“ Dabei sei jetzt der Zeitpunkt, wo die Landwirt:innen die nächste Saison planen; die Ernte ist eingefahren („Die war super dieses Jahr, das hat richtig Spaß gemacht!“) und die Saat für’s nächste Jahr muss auf die Flächen.
Die studierte Landwirtin, die sich auf ihren Flächen für den Artenschutz engagiert, pfluglos arbeitet um das Wasser im Boden zu halten und immer wieder alle neuen Verordnungen studiert, schüttelt ratlos den Kopf. Selbst der Niedersächsische Weg könne durch die neuen Vorgaben der Bundesregierung schwer umgesetzt werden.
Dazu kommen Unsicherheiten, ob Pachtverträge verlängert werden und dementsprechend bei manchen Investitionen, die sie sinnvoll fände, eine Zurückhaltung. „Nachhaltigkeit fängt bei langfristigen Pachtverträgen an“, findet sie und ich denke an mein Gespräch mit dem Förster Einhorn letzten Sommer in der Lüneburger Heide. Dass eine Förster-Generation manchmal einen Waldbestand nur pflegen und erst die nächste Generation davon ernten würde, hatte er erzählt, und dass, genau wie Milva Iderhoff es sagt, Langfristigkeit und Nachhaltigkeit zusammengehören.
„Es gibt nicht die eine Landwirtschaft für alle, auch wenn unser Landwirtschaftsminister das so vorsieht. Die Gegebenheiten und Voraussetzungen sind so vielfältig und unterschiedlich, allein in Niedersachsen! Was auf meinem Boden geht und richtig ist, kann für meinen Nachbarn schon nicht mehr richtig sein. Jeder ist und arbeitet individuell, auch diese Vielfalt sollten wir anerkennen.“
Die Politik, egal in welchem Bereich – ob Landwirtschaft, ob Pflege, ob Bau – sollte sich immer die Expertise derer einholen, die in der Praxis damit zu tun haben.
„Ich möchte meine Arbeit doch gut machen, wirklich gut machen. Aber wenn mir alles Handwerkszeug weggenommen wird, wie soll das gehen?“ Dieses Anliegen, ihre Arbeit gut zu machen, sagt sie nicht nur einfach so – es kommt aus ihrem Herzen.
Die Sorge, ungewollt etwas falsch zu machen – und „falsch“ meint hier meistens gleich gegen ein Gesetz zu verstoßen – wächst unter Landwirt:innen mit jedem Tag, mit jeder neuen agrarpolitischen Verordnung.
Dabei sind die Landwirt:innen doch diejenigen, die mit unserem wertvollen Boden und Lebensgrundlagen arbeiten, die unsere Lebensmittel erzeugen. Und egal, ob bio oder konventionell – die allerallermeisten tun dies verantwortungsvoll und gewissenhaft.
Wie wir nur aus dieser politischen Sackgasse wieder herauskommen können, darüber denke ich nach, als ich mich von Frau Iderhoff verabschiede und die nächste Radetappe antrete.