Nach der Wurfattacke auf die Synagoge der Jüdischen Gemeinde Hannover während eines Gottesdienstes zum höchsten Feiertag Jom Kippur haben sich Vertreter aus Judentum und Kirche bestürzt über die Tat geäußert. „Es ist schockierend und traurig zugleich, wie trotz Sicherheitsvorkehrungen immer unverhohlener und hemmungsloser jüdisches Leben mitten in Deutschland angegriffen wird“, erklärte die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland am Donnerstag in München. Der evangelische Landesbischof Ralf Meister aus Hannover betonte: „Dass Jüdinnen und Juden in unserer Gesellschaft in der Ausübung ihrer religiösen Praxis bedroht werden, ist unerträglich.“
Unbekannte hatten am Mittwochabend gegen 19 Uhr mit einem Stein oder einem anderen harten Gegenstand ein Bleiglasfenster der Synagoge eingeworfen. Dort hielten sich zu diesem Zeitpunkt etwa 150 bis 200 Menschen auf, um den Abschluss des Versöhnungsfestes Jom Kippur zu feiern. Verletzt wurde niemand. Die Polizei nahm umgehend die Ermittlungen auf.
Der Vorfall erinnert an den Anschlag auf die Synagoge in Halle vor drei Jahren, der ebenfalls am Jom Kippur begangen wurde. Damals hatte ein Rechtsextremist versucht, mit Waffengewalt in die Synagoge einzudringen, und erschoss zwei Passanten.
Die Attacke reihe sich in einen besorgniserregenden Trend ein, erklärte die Rabbinerkonferenz: „Mit großer Sorge erfüllt uns, dass solche Angriffe nicht nur weiter zunehmen, sondern auch in immer kürzeren Abständen geschehen. In einem Teil der Gesellschaft hat sich ein gefährlicher antisemitischer und antiisraelischer Cocktail zusammengebraut, gegen den jeder in diesem Land mit Herz und Verstand ankämpfen muss, damit jüdisches Leben und die Religionsfreiheit auch weiterhin eine Zukunft haben.“
Bischof Meister sagte, er sei zutiefst entsetzt und beschämt, dass Jüdinnen und Juden miterleben mussten, wie ihre Jom-Kippur-Feier gewaltsam gestört wurde. „Wir müssen weiterhin auf allen Ebenen und in allen Bereichen mit viel mehr Entschlossenheit als bisher gegen jede Form von Antisemitismus arbeiten“, forderte der Theologe, der sich seit langem für das Gespräch zwischen Christen und Juden einsetzt.
Bei der Attacke hatten die Betenden in der Synagoge gegen 19 Uhr einen Schlag an einem Fenster an der Frauenempore gehört. Etwa in dortiger Kopfhöhe sei ein Gegenstand eingeschlagen, sagte der Vorsitzende der Gemeinde und des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, Michael Fürst, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Im Bleiglas klaffe dort jetzt ein Loch in der Größe eines DIN A4-Blattes.
Der Gegenstand konnte noch nicht gefunden werden. Vermutlich sei er zurück ins Freie geprallt, sagte Fürst. Die Gemeinde sei schockiert. Es sei das erste Mal seit 1945, dass so etwas in Hannover passiert sei. „Es spricht viel dafür, dass jemand über den Zaun geklettert ist“, sagte Fürst. Diesen zu überwinden, koste einiges an Kraft: „Das können keine Kinder gewesen sein.“
Evangelischer Pressedienst (epd), Landesdienst Niedersachsen-Bremen