Foto: HkD

Bio-Betrieb im Wendland: „Unsere Ziegen schlafen gern aus“

Nachricht 03. Mai 2022
22-05-03-klimafasten-nachlese-wendlandziege
Veronika Obermayer leitet mit ihrem Mann Sören einen Bioland-Hof für Ziegen. Foto: Jens Schulze/EMA

Morgens um sieben ist die Welt im Wendland noch erstaunlich ruhig. Gegen alle bäuerlichen Klischees bleibt für Veronika und Sören Obermayer auf ihrem Hof im kleinen Bausen sogar genügend Zeit, um nach dem Aufstehen mit einem Kaffee in den Tag zu starten. Und das, obwohl rund 200 Ziegen in ihrer bäuerlichen Obhut leben. „Unsere Tiere schlafen gern aus“, sagt die 32-jährige Veronika und lacht fröhlich.

Dann beginnt der Tag auch für die rund 70 Milchziegen - mit dem täglichen Gang in die Melkkammer. „Christine führt die Herde an“, sagt Veronika Obermayer und streichelt den vorbeiziehenden Tieren über den Kopf. „Dann folgt Dotti und die anderen Milchziegen reihen sich nach und nach ein.“

In die Landwirtschaft einsteigen, das ist immer ein Abenteuer. Die Obermayers haben es vor knapp vier Jahren gewagt - und sind nicht nur mit positiver Einstellung und großer Freude, sondern auch für die ökologische Landwirtschaft bei der Sache. Sie wollen, dass ihr Betrieb Ertrag abwirft - nicht nur wirtschaftlich, sondern auch für Umwelt und Klima.

In Berlin haben Sören und Veronika Agrarwissenschaften studiert und sind aus der Großstadt in das 20-Seelen-Dorf bei Lüchow im niedersächsischen Wendland weitergezogen, um den ehemaligen Schweinemasthof von Sörens Vater in einen Bioland-Hof für Ziegen umzubauen.

Alles auf Anfang

22-05-03-klimafasten-nachlese-wendlandziege-kaese
Foto: Jens Schulze/EMA

Eine reine Schweinemast, wie sein Vater sie betrieben hat, konnten sich der damals 26-Jährige und seine zwei Jahre ältere Frau nicht vorstellen. Und so war die Entscheidung, den Hof komplett umzustrukturieren, die logische Konsequenz. Die Obermayers setzen Pflanzen und Tiere gezielt so ein, dass sie sich gegenseitig bereichern - durch die Beweidung auf den Wiesen für mehr Diversität oder durch den Anbau von Futter, damit die Tiere reichlich gute Milch geben. Das Konzept: ökologische Beziehungen und Kreisläufe in der Natur beobachten und nachahmen.

Genau diesem Denken ist auch die diesjährige Aktion Klimafasten unter dem Motto „Soviel Du brauchst“ nachgegangen: 17 evangelische Landeskirchen, katholische Bistümer sowie misereor und Brot für die Welt haben dazu aufgerufen, mit kleinen Schritten einen Anfang für mehr Klimagerechtigkeit zu entdecken. Es ging darum, Gewohnheiten in den Blick zu nehmen und zu hinterfragen: Woher kommen die Lebensmittel, wie werden sie produziert? Viele Menschen haben sich in Kirchengemeinden und Initiativen getroffen und neu über den Zusammenhang von Nahrung und Schöpfung nachgedacht.

Im kleinen Bausen hat die Beschäftigung mit diesen Fragen vor vier Jahren dazu geführt, dass der Obermayersche Familienhof ein zertifizierter Biolandbetrieb wurde. Die studierten Landwirte und ihr Team züchten Thüringer Waldziegen und Toggenburger Ziegen, sie vermarkten ihre eigenen Produkte im Hofladen und samstags auf dem Uelzener Markt. Jungziegen, die sie nicht für die Weiterzucht benötigen, verkaufen sie an andere Ziegenbetriebe. Oder an Schäfereien, die die Ziegen in der Region zur Landschaftspflege einsetzen.

Alte Rassen retten

22-05-03-klimafasten-nachlese-wendlandziege-ziege
Foto: Jens Schulze/EMA

Die Thüringer Waldziegen zählen zu den bedrohten Rassen. Die Obermayers sorgen dafür, dass sich der Bestand wieder erhöht. Alle Milchziegen auf dem Hof haben im Winter Nachwuchs bekommen, insgesamt 130 Jungtiere wuseln in diesem Frühjahr durch die Ställe. Rund 140 Liter Ziegenmilch werden auf dem Hof täglich gemolken. Damit die Milch fließt, müssen die Muttertiere regelmäßig Nachwuchs bekommen. Zucht und Milchverarbeitung stehen für Sören und Veronika Obermayer jedoch nicht im Widerspruch, im Gegenteil. Auf dem Biohof dürfen die Kitze muttergebunden aufwachsen, werden nach der Geburt also nicht von der Mutterziege getrennt, sondern dürfen acht Wochen lang trinken. Erst dann werden die Ziegenbabys langsam an Heu gewöhnt. Ökologisch wirtschaftende Ziegenhöfe stehen vor der Frage, ob sie ihre Böcklein konventionell an Viehhändler abgeben. Die Obermayers haben für sich eine andere Lösung gefunden: Sie ziehen die Böcke mit groß, schlachten sie später für die eigene Direktvermarktung oder geben sie als Zuchtböcke an Hobbyhalter.

Aus Milch wird Käse

22-05-03-klimafasten-nachlese-wendlandziege-kaeserei
In der Käserei produziert Veronikas Bruder Markus täglich Schnitt-, Frisch- und Grillkäse. Foto: Jens Schulze/EMA

Vom Frühling bis in den Herbst hinein ist in Bausen zweimal täglich buntes Treiben im Rundlingsdorf. Dann geht’s für die tierische Belegschaft einmal die Straße runter auf die Weide. Auf den grünen Wiesen fressen sich die Vierbeiner satt an saftigem Gras und Kräutern.

„Das Heu für den Winter ernten wir selbst“, sagt Veronika Obermayer. „So können wir auf unserem Hof den gesamten Kreislauf abbilden: vom Heu zur Milch zum Käse.“ Anders als in großen Käsereien wird die Ziegenmilch so verwendet, wie sie von den Ziegen geliefert wird  - und das heißt im Sommer leichter als in den kühleren Monaten, wenn sie fett- und eiweißreicher ist. Durch diese natürliche Schwankung sind Käse und Joghurt ganz nah am Ursprungsprodukt Milch.

In der eigenen Käserei steht Veronikas Bruder Markus und produziert aus der Milch der Wendlandziegen täglich Schnitt- und Frischkäse sowie Grillkäse und Joghurt. „Wir probieren uns gerade an Camembert“, sagt Markus. Die Begeisterung für sein Tun kann man an seinen leuchtenden Augen ablesen, während er vorsichtig über den weißen Flaum streicht. Das Käsegeschäft läuft gut, ist aber noch ausbaufähig.

Das Schlachten ist für die Familie nach wie vor etwas Besonderes, schließlich haben die Obermayers zu jedem Tier einen persönlichen Bezug. „Das Ziegenfleisch ist bei den Kunden sehr beliebt, weil es eben so selten zu bekommen ist“, sagt Veronika Obermayer, während ihr Mann den sonnigen Frühlingstag nutzt, um auf dem eigenen Acker Kartoffeln in die Erde zu bringen. Der Kartoffelverkauf macht den Hof wirtschaftlich rentabel.

Und dann gibt es da noch die Mutterkuhhaltung mit fünf Rindern, die dann und wann geschlachtet werden. Das samstägliche Marktgeschäft bereitet der Jungbäuerin große Freude. „Ich komme mal raus aus Bausen“, sagt die Mutter einer kleinen Tochter. „Richtig glücklich macht mich aber vor allem das Feedback von den Kunden. Dann spüre ich einmal mehr, dass sich die Mühe auf dem Hof lohnt und für die Menschen sichtbar wird, dass aus unserer Arbeit wertvolle Nahrungsmittel entstehen.“

Themenraum/Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers

Hintergrund_Klimafasten2022-Kopie-2

#sovieldubrauchst - auch nach der Fastenzeit

Auch 2022 hat die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers gemeinsam mit vielen evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümern und Brot für die Welt sowie MISEREOR dazu aufgerufen, sich in der Fastenzeit an der Aktion Klimafasten zu beteiligen. In diesem Jahr stand die Aktion unter dem Leitwort „So viel Du brauchst“.

Nach der Fastenzeit bleiben die Themen des Klimafastens natürlich genauso wichtig. Es geht etwa darum, schon beim Einkauf und der Zubereitung des Essens darauf zu achten, weniger Energie zu verbrauchen und den Alltag, die eigenen Gewohnheiten so zu verändern, dass sie sich klimafreundlicher ernähren und leben.

„Klimagerechtigkeit beginnt bei uns zu Hause", sagt Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt und Schirmherrin der Aktion Klimafasten. "Dafür ist es wichtig, dass wir uns bewusster ernähren und weniger Lebensmittel wegwerfen. Wenn wir öfter regional und saisonal einkaufen, tragen wir dazu bei, dass für die Erzeugung und den Transport unserer Lebensmittel weniger CO2 verursacht wird“.

Der hohe Bedarf an Ressourcen in der konventionellen Landwirtschaft, etwa für Kunstdünger oder Pestizide, aber auch im Lebensmittelhandel, beispielsweise für energieintensive Kühlung und den Transport von Waren über weite Strecken, beschleunige den Klimawandel. „Klimagerechtigkeit bedeutet auch Solidarität mit den Menschen, die schon jetzt am meisten unter der Erdüberhitzung leiden. Sie haben kaum dazu beigetragen, gleichzeitig haben sie kaum Möglichkeiten, sich gegen die Folgen zu schützen“, sagt Pruin.