Aus Sicht der Pilgerpastorin Annette Lehmann sind beim Pilgern die Ereignisse auf dem Weg wichtiger als das Ziel. „Gehen Sie einfach los!“, empfiehlt die Referentin für Pilgern im Haus kirchlicher Dienste in Hannover Pilgerinteressierten. Beim Pilgern gehe es um die Begegnung mit anderen Menschen, sich selbst und Gott, sagte Lehmann im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Der „Pilger-Boom“ halte trotz Corona an, betonte Lehmann, die Pilgerbegleitende ausbildet und theologische Fragen zum Pilgern bearbeitet. So hätten viele Menschen während der Pandemie das Pilgern vor der Haustür und im Inland entdeckt. Solche Touren seien nicht vorbereitungsintensiv, zudem seien die Strecken weniger überlaufen.
Neben dem Pilgern zu Fuß werden laut Lehmann auch Touren mit dem Fahrrad oder Kajak immer beliebter. Oldtimer- und Motorradpilgern seien dagegen „ökologisch nicht ideal“. Die Frage, wie Menschen beim Pilgern mit der Schöpfung umgingen, stelle sich aber auch, wenn sie dafür zum Beispiel ins Ausland flögen.
Die evangelische Pastorin selbst ist nach eigenen Angaben bereits sowohl zu Fuß als auch per Fahrrad und Kajak gepilgert. Am liebsten pilgert sie mit Zelt und sucht erst vor Ort einen Schlafplatz. Dies sei selbst gelungen, als sie von Osnabrück nach Hannover mit zwei Ziegen unterwegs war. „Ich genieße diese Freiheit.“ Schon nach ihrem Abitur sei sie mit dem Fahrrad allein durch Norddeutschland gefahren, habe oft an Kirchen haltgemacht und sich spontan Unterkünfte gesucht, sagte sie. „Da habe ich das nur noch nicht Pilgern genannt.“
Zwar gebe es an ausgewiesenen Strecken meist auch die passende Infrastruktur wie Kirchen und Herbergen. Aber ein Verständnis, demzufolge nur ein bestimmter Weg oder Ort göttliches Heil hervorbringe, sei „vorreformatorisch“, fügte die Pilgerpastorin hinzu. Nachdem Martin Luther das Pilgern etwa als „Narrenwerk“ bezeichnet habe, ringe die evangelische Kirche heute um einen offenen Pilgerbegriff, der nicht von Erschöpfung oder Blasen an den Füßen abhänge. „Meinem Gott muss ich nicht durch Schmerz näherkommen“, sagte Lehmann.